Genuss

Von Piwi bis Orleans

Weinberg mit herbstlicher Färbung

Weintrinken ist und bleibt spannend. Jetzt gibt es neue Rebsorten mit blumigen Namen.

Die Bewegung „Zukunftswein“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Rebsorten, die mit den hiesigen Gegebenheiten wie Pilze und Klima, sprich Trockenheit einfach besser zurecht kommen, zu fördern und auch dem Konsumenten nahezubringen. Als Weintrinker trinkt man ja gerne was einem seit eh und je gut geschmeckt hat und wenn dann auf einer Flasche Rebvoluzzer steht, ist man vielleicht irritiert. Doch es lohnt sich, auch neue und unbekannte Rebsorten zu entdecken. Gerade die jungen Winzer sind enorm innovativ und möchten eben auch einen nachhaltigen Weinbau fördern, bei dem weniger gespritzt werden muss. Zum Beispiel die nachhaltige und heldenhafte Rebsorte Phönix. Sie bereitet ein aufregendes Geschmackserlebnis im Weinglas. Die Reise beginnt mit einem zarten Muskataroma, das die Nase angenehm aufrüttelt. Auf der Zunge rangeln frischer Apfel, Aprikose um die Vorherrschaft und verbünden sich. Sollte man mal probieren. Das nächste Sommerfest beim rheinhessischen Weingut von Eva Vollmer bietet bestimmt Gelegenheit!

Wie die goldene Sonne über Orleans – Gelber Orleans

Der Gelbe Orleans ist eine sehr alte Rebsorte, die erstmalig 1709 (Woltersdorf) erwähnt wurde. Die Synonyme Hartheinisch oder Harthengst deutet auf den Anbau schon im Mittelalter hin. Trotz des Namens ist die Sorte in Frankreich gänzlich unbekannt. Mittels DNA Analysen konnte bisher noch keine Elternsorte identifiziert werden, was ungewöhnlich ist. Die Herkunft der Sorte liegt damit im Dunkeln der Geschichte. Mit der Aufnahme des Gelben Orleans in die „Arche des Geschmacks“ sorgt das SLOW FOOD Convivium Rheingau unter dem Motto „Trinken, was man retten will“, für mehr Bekanntheit und Nachfrage dieser alten, schützenswerten Pflanzensorte.

Die Rebsorte wurde 2020 in die Rote Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung aufgenommen. In Rüdesheim waren es 1871 noch 17,5 ha und 1882 nur noch 7,5 ha. Die letzte Kleinterrasse wurde zwischen 1950 und 1955 gerodet. Danach war die Sorte nur noch in Sortimenten deutscher Rebenzüchtungsinstitute mit insgesamt ca. 25 Stock vorhanden. 2022 sind aktuell nur noch folgende Anbauflächen vorhanden: Rheingau 0,6 ha / Rheinhessen u. Pfalz 2,2 ha / Franken 0,2 ha.

Auf Anregung des Weinguts Breuer, Rüdesheim begann das Institut für Rebenzüchtung der Hochschule Geisenheim 1989 mit der erhaltungszüchterischen Bearbeitung der Sorte Gelber Orleans. Mit drei von neun Rebstöcken des Geisenheimer Sortiments wurde auf den Versuchsflächen des Instituts eine Klonen Vorprüfanlage erstellt. Aus diesem Material konnte das Weingut Breuer 1994 mit 450 Stock eine Ertragsanlage im Rüdesheimer Schlossberg erstellen. 

Mittlerweile wird die Sorte in einigen Betrieben sortenrein an- und ausgebaut. Bei einigen Betrieben im Rheingau ist der Gelbe Orleans zudem Bestandteil des historischen Rebensatzes des Rheingaus.

Marion Thomas-Nüssler, Leiterin SLOW FOOD Convivium Rheingau: „Es ist ein Glücksfall für den Gelben Orleans, in die „Arche des Geschmacks“ aufgenommen worden zu sein. Nicht nur, dass sich hier für den Konsumenten ein Fenster in die Vergangenheit öffnet, mit der Gelegenheit, eine historisch Rebsorte zu „erschmecken“, sondern die damit einhergehende Aufmerksamkeit für die Rebsorte eine Chance bietet, wieder mehr Wertschätzung zu erlangen. Daher „Trinken, was man retten will!“

Der Reifezeitpunkt des Gelben Orleans liegt ca. 10-12 Tage nach dem Riesling. Deshalb kam nur ein Anbau in allerbesten Lagen in Frage. Durch die sehr späte Reife wird die Sorte in Zeiten des Klimawandels wieder interessant z.B. für Toplagen in denen der Riesling mittlerweile „zu“ früh reift. Die dicke Beerenhaut der Sorte führt zu einer geringen Fäulnisanfälligkeit.

Die „Arche des Geschmacks“ wurde 1996 ins Leben gerufen. Aufgrund des voranschreitenden Verlustes unserer biokulturellen Vielfalt brauchen wir die Arche heute mehr denn je. Weltweit sind derzeit über 5.200 Passagiere in der „Arche des Geschmacks“. Kriterien zur Aufnahme in die „Arche des Geschmacks“ sind: Ein charakteristischer Geschmack mit klarem Bezug zu lokalen Traditionen und Nutzweisen. Verbundenheit mit einem bestimmten Gebiet und dessen kulturellem Gedächtnis. Herstellung vermarktbarer Mengen und Existenzbedrohung. 

SLOW FOOD, als globales Netzwerk mit Millionen von Menschen setzt sich für gutes, sauberes und faires Essen für alle ein. SLOW FOOD Deutschland wurde 1992 gegründet und ist mit vielfältigen Projekten, Kampagnen und Veranstaltungen auf lokaler, nationaler sowie europäischer Ebene aktiv. Mit handlungsorientierter Bildungsarbeit stellen wir Ernährungskompetenz auf sichere Beine. Ziel unseres politischen Engagements ist ein sozial und ökologisch verantwortungsvolles Lebensmittelsystem, das Mensch und Tier, Umwelt und Klima schützt.