Palermo kennt jeder Tourist, vor allem die, die mit dem Kreuzfahrtschiff durch’s Mittelmeer schippern. Vielleicht sind deshalb so viele amerikanische Touristen da? Mich hat es im letzten Herbst auch dorthin verschlagen. Mein Eindruck in zwei Worten: „Städtereise extreme“. Ich nehm‘ euch heute mit in „mein Palermo“, auf den Spuren der wunderbaren Graffitis, die es überall an den Wänden gibt.
Palermo ist eine morbide Diva, behaupte ich jetzt mal. Es gibt Straßenzüge, die sind so kaputt, da kann man es kaum glauben, noch in Europa zu sein. Okay, Palermo ist am südlichen Ende von Europa und ja, so sieht es auch manchmal aus. Seit es in 2018 Kulturhauptstadt war und die kulturhistorischen Stätten renoviert wurden bezw. werden, hat sich die Stadt erheblich verändert und das freut mich. Die Stadt entdeckt sich neu und entwickelt sich, denn ja, die Stadt hat einen vielschichtigen Charme. Es gibt die üblichen touristischen Pfade mit all den Sehenswürdigkeiten, die jeder Reiseführer beschreibt. Doch Palermo hat ein zweites Gesicht, das mich eher interessierte.
Vom Flughafen ist es eine halbe Stunde mit dem Mietwagen. Doch ganz ehrlich, das Autofahren in der sizilianischen Rushhour ist nichts für jedermann. Rom, Neapel, Milano – alles kein Vergleich mit Palermo! Ampeln und Straßenmarkierungen dienen hier eigentlich nur der Orientierung und es kann schon vorkommen, das ein Auto entgegen der Fahrtrichtung fährt. Genau richtig, es kommt mit hoher Geschwindigkeit auf Deiner Spur entgegen! Doch in Palermo ist das nichts ungewöhnliches „Mama Mia, bloß nicht aufregen.“ Hey, wir sind in Palermo!
Städtereise EXTREME
Das Appartment hatten wir von einem Freund zur Vefügung gestellt bekommen. Die Fotos im Vorfeld waren beeindruckend: Maisonette-Wohnung mit großer Dachterrasse mit Blick über die Dächer der Stadt. Tolle Bude mit zwei Schlafzimmern, WLAN und TV unlimited. Parken vor der Haustüre kein Problem und die Fußgängerzone mit dem berühmten Markt Ballaró gleich vor der Türe. Klasse!
Worüber wir nicht gesprochen hatten: Das Appartment liegt im Albergheria-Viertel, eines der Armenviertel in der Innenstadt, wie ich dann erst kurz vor der Ankunft im Reiseführer lese. Ähm, ist das ein Problem? Eigentlich nicht, aber… Das Mietauto: Mittelklasse. Der Parkplatz neben dem mit Müllbergen dekorierten Bolz-Platz Tag und Nacht von Jugendlichen bevölkert. Ich war mir nicht sicher, ob ich das als gutes oder schlechtes Zeichen deuten soll und war die erste Nacht doch sehr unruhig: Hatten wir alles abgeschlossen, sind die Wertsachen raus, welches Versicherungspaket ist abgeschlossen? Fragen, die plötzlich relevant werden. Warum eigentlich?
Doch ich kann es jetzt schon sagen: Alles gut! Die Menschen in Alberheria sind einfach wunderbar, denn gleich am ersten Tag wurden wir von den Nachbarn begrüßt und man erkundigte sich nach uns. Obwohl teilweise bitterarm und obwohl sie unter der Wirtschaftskrise und wohl auch noch unter den Nachwehen der mafiösen Strukturen leiden, war man einfach sehr freundlich und aufgeschlossen. Letztlich sind es genau die Menschen, die mich interessieren und ich bin so froh, dass mein Gespür mich nicht enttäuscht hat.
Albergheria Palermo
Ja, es ist ein morbides Viertel, Ja, die Armut ist greifbar und die wirtschaftliche Not nicht mehr wegzudiskutieren. Die Menschen aber sind fantastisch. Ich habe mich in keinem Viertel Palermos so akzeptiert und wertgeschätzt gefühlt, wie in diesem. Auf der Flaniermeile wird jeder Tourist abkassiert, die üblichen Ketten haben auch in Palermo ihre Shoppingareale gebaut, vor den Toren der Stadt gibt es natürlich das übliche „Outletcenter“ Doch, hey, dafür bin ich doch nicht nach Palermo gekommen. Ich will Süditalien erleben und schmecken und die Menschen kennenlernen.
Der Markt Ballaro
Frisches Gemüse, Fleisch, Fisch – alles was man sonst noch so braucht, dazu Käse, Eier, frische Butter und Oliven, Brot und Süßes. Genau das gibt es auf dem Markt Ballaro. Das obligatorische Milzbrötchen, die ortstypische Spezialität, kann man sich schenken. Sorry Leute, aber das schmeckt echt sehr speziell und muss man nicht essen. Lieber genießt man die köstlichen, aromatischen Tomaten. Zuckersüß und in allen Größen erhältlich. Ich habe sie kiloweise gegessen und schon zum Frühstück eine Tüte verschlungen. Genauso die Wassermelonen. So süß und saftig gibt es die Südfrüchte einfach nicht in Deutschland. Kauft das Gemüse dort beim Bauern und es wird dich umhauen! Ebenso köstlich die Käse-Sorten. Parmiggiano, Schafskäse und Büffelmozzarella vom Feinsten. Auch das Fisch-Angebot: Oktopus, Muscheln etc. pp. In der aktuellen Effilee ist ein großer Bericht darüber und ich kann es nur bestätigen:
Das Marktangebot ist großartig und lecker! Aber es ist auch ein Gewühl von Menschen, immer wieder will noch eine Vespa durchfahren, ein Lieferant mit lebenden Hühnern und der Postbote ebenso. Dann noch die Stadtreinigung, und ein Händler, der heute mal früher nach Hause möchte. Dazwischen die Einheimischen und immer mehr Touristen, die natürlich total den Verkehr aufhalten: Foto knipsen hier, probieren da… Es ist ein wunderbares Chaos!
Wir waren immer mal wieder im Restaurant essen, u.a. gegenüber unserer Ferienwohnung im Al Vicolo, einer typisch sizilianischen Osteria. Doch ganz oft haben wir selbst gekocht und mit den frischen Zutaten vom Markt macht das auch irre Spaß. Übrigens, Mitbringsel habe ich in der Bonbon-Fabrik in Palermo eingekauft. Köstliche kleine sizilianische Süßigkeiten aus dem Viertel Albergheria von Terranova.
Zu anstrengend? Dann auf nach Mondello
Kurzum, die Stadt ist spannend, laut und fordernd. Da braucht es zwischendurch eine Pause. Entweder man geht ins Museum, flaniert am Hafen entlang oder fährt ins benachbarte Strandbad wo auch die Prominenz den Sommer genießt und einige Restaurants auf Sterne-Niveau ihren Sitz haben: Mondello. Es fährt sogar ein Stadtbus ab Palermo dorthin und deshalb, einfach die Badesachen einpacken und los geht’s für einen Tag am Meer am wunderschönen Sandstrand.
What to do in Palermo?
Einfach Treiben lassen! Laufen, laufen, laufen und sich unter’s Volk mischen. Klar, das Theatro Massimo muss man mal gesehen haben und wer Opern-Fan ist, sollte sich im Vorfeld Karten besorgen. Ansonsten finde ich es am spannendste, den Rhythmus der Stadt aufzunehmen und zu staunen. Mein Tipp, iss unbedingt ein Original Cannolo.
Nimm Dir Zeit und lass Dich treiben. Hier einen Espresso, da ein Eis, ein Bier, ein Souvenier. Überall gibt es Streetfood oder kleine Bars, die Häppchen anbieten. Pause machen, genießen und probieren. Zum Wein oder Bier gibt es auch mal Oliven: Aperitivo. So kann man das Lebensgefühl erleben, dem singenden Gemüseverkäufer zusehen, die katholische Prozession mit viel TamTam verfolgen (mit etwas Glück von einer Dachterrasse) oder das Balzverhalten der sizilianieschen Teenager am Samstagabend…
Süditalien eben – schau es Dir an!