Leben

Bericht von der Fastenwoche

Fastenhaus Werner; Sylt

Wer gerne genießt und gerne isst, der kommt hin und wieder zu der Überlegung, eine Genuss-Pause einzulegen, ja, sogar eine radikale Essenspause. Erstens zur Schonung der Geschmacksnerven und zweitens für die Gesundheit. Kennst Du das auch?

Eigentlich war es für mich nicht vorstellbar, länger als einen Tag nichts zu essen, aber ich bin ja immer offen für Neues, also habe ich es ausprobiert. Bislang hatte ich maximal einen Tag pausiert. Vielleicht einen Reistag oder Molketag praktiziert, um die Organe zu erleichtern und Magen-Darm zu stärken.

Als ich dann von dem Angebot von Fasten-Liebe erfahren habe, wurde ich doch neugieriger und so wollte ich es in diesem Jahr einfach mal ausprobieren. Eine Woche lang in einer schöne Region und einer schönen Unterkunft Fastenwandern – das wollte ich machen. Doch stell Dir vor – alle Angebote waren bereits ausgebucht! Ich suchte in der ganzen Republik und dachte schon, ich müsste zuhause bleiben, doch dann wurde kurzfristig ein Platz frei und ich konnte buchen: Fastenwandern auf der schönen Insel Sylt. Na, auf Deutschlands schönste Insel wollte ich eh mal hin. Hier ist mein Bericht.

Fasten-Wandern mit Yoga

Es gibt unzählige Angebote zum Fasten: Im Kloster, auf Ibiza, mit Yoga oder eben mit Wandern. Nichts essen kann man natürlich auch zuhause machen, doch das kam für mich nicht infrage. Während des Fastens möchte ich mich in einem Erholungsgebiet aufhalten und auch ein bisschen Rahmenprogramm und Unterstützung erfahren. Zuhause ist man im alten Trott und zudem auch den Verlockungen ausgesetzt. Besser ist es, in der Gruppe und in einem Fasten-Haus zu Fasten. Mit Sylt hatte ich nun auf jeden Fall eine wunderschöne Region ergattert. Das Fastenhaus Werner auf Sylt hat auch schon eine lange Tradition und so war ich mir sicher, dort gut betreut zu sein.

Los geht’s – wie man in den Fasten-Urlaub startet

Vom Veranstalter erhalte ich im Vorfeld einige Tipps und Informationen, was ich mitbringen soll. Wir sind eine große Gruppe von über 20 Teilnehmern, vor allem Frauen, doch auch ein paar Männer sind dabei und eher Altersgruppe ü50. Neben den üblichen Utensilien für einen Wanderurlaub sollte eine Kuscheljacke und Wärmende Schals nicht fehlen, denn manchmal friert man, wenn es nichts zu essen gibt.

Optimalerweise startet man mit einem Entlastungstag oder vielleicht auch schon ein paar Tage vorher: Kein Alkohol, kein Kaffee, kein Fleisch oder Fisch, sondern leichtes Gemüse und Brühe. Am Abend des ersten Tages sorgt man dann dafür, dass der Dickdarm entleert ist. Das ist meist eine ziemliche Procedur: Bittersalz sollen die Reste aus dem Darm schaffen, wenn nötig kann man auch einen Einlauf machen. Warum? Damit der Darm immer schön leer ist während der Fastenzeit. Das ist wichtig für das Wohlbefinden.

Ab Tag 1 gibt es nur noch Flüssiges: Viel Tee, Wasser, und das Beste vom Tag: Gemüsesaft aus dem Entsafter (ein dünner Gemüsesaft) oder ein Glas Wasser mit einem Schüss Orangen- oder Grapefruitsaft. Manchmal lutscht man auch eine Zitrusfrucht.

Alle zwei Tage wiederholt man das Procedere mit der Darmentleerung, weil vom Dünndarm vielleicht noch etwas nachgeschoben wurde. Und das ist tatsächlich für mich das Unangenehmste am Fasten. Nicht das Nicht-Essen oder der leere Magen oder der viele Tee. Das Rumoren des Darms und die Entleerung.

Man beschäftigt sich tatsächlich recht viel mit der Entleerung und in der Fastengruppe ist es auch ein Dauerthema. Während man sonst bei Gruppenreisen über Ausflugstipps plaudert, wird bei einer Fastengruppe immer auch mal die unangenehme Darmentleerung angesprochen. Doch es beschäftigt einen auch sehr und so wird es zwangsläufig Thema. Während der Wanderung sind natürlich schon die Sehenswürdigkeiten das Hauptthema, doch auch, wo es die nächste Toilette gibt. Naja, vielleicht kam es mir auch nur so vor, doch die Entleerung war durchweg ein wichtiges Thema. Das ist schon merkwürdig.

Hunger? Hunger hatte ich fast nie und das ist das Erstaunliche. Im Alltag kann ich die Uhr danach stellen, wann mein Organimus nach Nahrung schreit. Meine Laune und auch der Kreislauf gehen direkt in den Keller, wenn ich nicht regelmäßig Futter bekomme. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich über einen längeren Zeitraum nur mit Wasser und anderem Dünnflüssigem aushalte. Zumal der Verzicht auf Kaffee schon eine erhebliche Einschränkung bedeutete.

Doch es ist erstaunlich. Ich hatte es mir vorgenommen und es war machbar. Ganz einfach sogar. Am Tag 3 erlebe ich ab mittags auch ein absolutes Hoch und bin ganz euphorisch. Bin dann aber trotzdem zu müde für den Sonnenuntergang am Strand und verschwinde bereits um 20 Uhr im Bett. Sowieso schläft man ganz viel. Mittagsschlaf ist unterbrochen von einem Spaziergang, einer Runde Yoga und dem gemeinsamen abendlichen Tee. Dann ruft auch schon wieder das Bett. Zumindest war dies bei mir der Fall. Ich hatte ein großes Rückzugsbedürfnis und habe täglich mindestens 12 Stunden geschlafen.

Tag 4 beginnt mit Frühsport und Energie für zehn. Ob’s am vielen Schlaf liegt? Ich fühle mich wunderbar und hüpfe doch tatsächlich ins knapp 15 Grad kalte Wasser der Nordsee. Fit wie ein Turnschuh, sagt man doch auch, ja, so fühle ich mich. Nach einem sehr aktiven Tag am Strand um ergänzt mit einer Radtour zur Sansibar (auf ein Glas Wasser, nein, kein Spritz). Abends gibt es dann eine dünne Brühe – immerhin.

Tag 5 krieg ich einen Gruppenkoller. Außerdem friere ich und finde alles müßig und anstrengend. Obwohl ich körperlich absolut fit bin. Niemals hätte ich gedacht, dass ich morgens einfach so, ohne Frühstück, aus dem Haus hüpfen könnte, um Frühsport zu machen und dann zu einer Wanderung nach List aufzubrechen. Aber es geht und zwar sehr gut. Und es liegt nicht nur am sonnigen Wetter, denn auch bei Regen hüpfe ich aufgeregt aus dem Haus und bin erwartungsvoll auf das was da so kommt.

So geht es weiter bis Tag 7. Dann endlich wird der erste Apfel serviert. In langsamen Schritten wird dieser verzehrt. Achtsam kauen und schmecken ist die Devise. Es ist ein Hochgenuss! Während man im Alltag oft schnell und hastig den Apfel verzehrt und das Mittagessen „reinschaufelt“, habe ich während der Fastenwoche die Langsamkeit beim Essen wiederentdeckt (dabei empfand ich mich schon als Langsamesser, doch probier es aus, es geht noch langsamer).

Was habe ich gelernt?

Eine schöne Erfahrung war für mich, dass ich bei Müdigkeit auch wirklich ins Bett gehen kann – auch wenn es „zu früh“ ist. Wer sagt „zu früh“? Es gibt kein richtig oder falsch beim Schlafen. Man darf ausruhen und schlafen, wenn man müde ist – auch wenn der Mond noch nicht am Himmel steht. Hier habe ich für mich entdeckt, dass ich abends das Essen und auch Alkohol öfters als Wachmacher benutze – als Energieschub für eine Spätschicht. Das kann man machen, muss aber im Alltag nicht sein. Ich werde mir das für besondere Abende und vielleicht Urlaubstage aufheben. Mir hat der viele Schlaf so viel Spaß gemacht und mich so sehr erholt, das will ich nicht missen. Ja, der viele Schlaf hat mir ganz viel bedeutet, vor allem der vor Mitternacht. Einfach mit den Hühnern ins Bett gehen – why not. Die Freiheit nehm ich mir!

Ist Fasten ein Jungbrunnen? Irgendwie schon, denn die Energie, die man zwischendurch spürt, ist einfach toll. Abgenommen hab ich kaum, denn sobald man wieder isst, sind die Depots auch schon wieder gefüllt.

Danach heißt es, die Erfahrung in den Alltag zu übernehmen. Das ist eigentlich die größte Herausforderung.

Kein Streß-Essen am PC, nur mäßig Alkohol und Kaffee und auf basische Kost achten, also wenig Zucker, wenig Weißmehl und tierische Lebensmittel. Auch in der Kantine langsam und maßvoll essen. Ob das funktioniert, wenn man ein Schleckermäulchen ist? Schauen wir mal…

Die Erfahrung, nur mit Wasser und Tee über die Woche zu kommen und dabei vor Energie zu strotzen, das war schon auch besonders. Das macht mutig, weil es einfach zeigt: man braucht eigentlich nur ganz wenig, um glücklich zu sein. Und das Glück fühlt sich sehr leicht und beschwingt an.

Wer es ausprobieren möchte, meine persönliche Empfehlung ist Fasten-Liebe und Fastenhaus-Werner.

P.S. Die Anreise per Bahn für diese lange Strecke war schon eine Wohltat und passend zum Anlass. Ich kam also schon entspannt am Ziel an und hatte vor Ort auch kein Parkplatz-Problem. Bei der Rückreise gab es dann leider ettliche Verspätungen und nur mit Glück erreichte ich nach über 12 Stunden den Frankfurter Flughafen, von wo ich mich dann ziemlich geschwächt und entnervt abholen lies. Ich hatte zwar ein Imbiss mit, doch der Tee war irgendwann leer und weit gefehlt, dass es im Zug-Kiosk so etwas wie Wasser oder Tee geben würde Nein, ausverkauft, es gab einfach gar nichts. Naja, so funktioniert eben Fasten mit der Bahn…

P.S.: Weitere Fotos folgen!