Aus aktuellem Anlass hole ich diesen Artikel aus 2016 aus dem Archiv – immer, wenn der Winterling blüht (so heißt das gelbe Blümchen auf dem obigen Foto, übrigens in meinem Garten geknipst), dann erinnere ich mich wieder an meinen Abmahn-GAU vor vielen Jahren.
A – wie Aua, Affiliate-Link, Abmahnung, Anwalt – in der Terminologie der Bloggerwelt fängt vieles mit A an. Es gibt leider nur wenige Blogs, die schaffen eine angenehme Mischung von Inhalt und Werbung ohne viel Affiliate und ja, ich selbst versuche eine Mischung aus Sachen, die mich persönlich bewegen, interessieren oder die mir gefallen und manchmal lösche ich dann auch einfach – wie es mir eben gefällt. Doch manches gefällt Anderen dann wiederrum nicht so… lies selbst.
Abmahnung
Ein häufiges Thema im Bereich Werbung und Bloggerei sind Abmahnungen wegen Missbrauch von Bildrechten. Gefühlt sind wir alle heutzutage Profi-Fotografen: Noch nie waren so viele Fotos wie heute im Umlauf. Das Internet in Zahlen, ich hab da irgendwo mal eine Statistik gelesen, doch das ist auch schon wieder überholt, ein Auszug, schau selbst (oder schau doch mal auf deinem Handy nach, wieviele Fotos und Video-Dateien du darauf speicherst – ebent, die Welt ist voll von Fotos….
7 Petabyte – Soviel Foto-Content wird auf Facebook jeden Monat hinzugefügt, etwa, grob geschätzt
300 Millionen – Anzahl neuer Fotos, die täglich auf Facebook hochgeladen werden, grob geschätzt
5 Milliarden – Anzahl der Fotos, die seit dem Start von Instagram hochgeladen wurden, grob geschätzt
58 – Anzahl der Fotos, die pro Sekunde bei Instagram hochgeladen werden… nur grob geschätzt
Noch Fragen? Jedes einzelne Foto ist per Gesetz ein urheberrechtlich geschütztes Original. Egal ob Dick-Pic oder ein verwackeltes Selfie oder ein versehentlich geknipstes Foto – alles Originale!
Der Handyshot, das Selfi… vor dem Gesetz ist dieses Pixelding als hätte es Helmut Newton persönlich geknipst und nicht du oder ich. Das ist in etwa so, als würde ich bei jedem gekritzelten Notizzettel auf mein Urheberrecht beharren. Da lacht ja die ganze Republik! Nein, es lacht leider keiner, sondern, oft droht der Anwalt. Mehr dazu auch hier: www.recht-eigenartig.de.
Bildrechte
Zum Beispiel obiges Blumenbild, das ist ja sowas von einem Original! Ein Bild mit gelber Blume. Das ist jetzt urheberrechtlich geschützt. Schwamm drüber, dass das jetzt nicht die bombige Qualität hat und der Inhalt auch irgendwie Pustekuchen ist. Darum geht es nicht. Es geht um Recht und um Ordnung und Besitz und so halt. Der Blogger und die Bildrechte. Man streitet sich und holt sich Rat und jede Partei verdient daran ihren Salär. Kein Wunder, dass die Gerichte dann für die wirklich wichtigen Dinge keine Zeit mehr haben.
Seit das Internet (also auch copy/paste) unsere Gesellschaft verändert, ist ein Foto nicht mehr ein Foto, sondern eine Datei aus Pixeln und Punken und MB. Diese Datei ist ohne Qualitätsverlust beliebig zu vervielfältigen, kann kopiert und wiederverwendet werden. Früher, als man in der Fotografie noch mit Diapositiven und Dunkelkammer gearbeitet hat, war das wahrlich nicht so einfach. Da musste man den Urheber fragen, ob man mal das Diapositiv zugeschickt bekommen könnte, weil man gerne einen Abdruck in der Zeitschrift davon machen möchte. Ich weiß das, weil ich für einen Pressefotografen gearbeitet habe. Jaja, das waren noch Zeiten.
Urheberrecht
Heute – copy/paste. Basta. Merkt doch kein Mensch. Oder doch? Google is watching you! Es gibt verschiedene Software mit der man anhand der Bilddaten die Welt des Internet absuchen kann, um verwendete Bilder zu finden und ggf. Anklage wegen Urheberrechtsverletzung zu erheben. Abmahnungen werden verschickt ohne Ende. Auch ich hatte eines Tages ein solches Schreiben im Briefkasten. Schreiben von Anwalt Eugen Klein (haha, kein Witz! Gleicher Nachname. Kein Verwander!) Die Kanzlei: ActiveLaw. Zum Glück gibt es Internet, denn schnell hatte ich den Namesvetter mit Name KLEIN recherchiert und mich schlau gemacht. Mehr dazu auch hier: www.recht-eigenartig.de.
Was war passiert?
Nun ja, ich bin manchmal ein Schussel. Unterwegs beim Bilderhochladen einen Test gefahren und es dann nicht wieder gelöscht. Das Bild war im Archiv meines Blogs verschwunden und vergessen. Copy/paste. Und das, obwohl ich selbst Terrabyte große Bilder-Archive habe: Mode, Blumen, Landschaften, Portraits…. Wie gesagt, manchmal bin ich ein Schussel. Ich hatte das besagte fremde Foto schon lange im Archiv vergessen, die Software hatte mich aber schnell ausfindig gemacht. Und dann wollte man Knete sehen.
Eugen Klein ist nicht KLEINlich. Für seinen Mandanten Lochstampfer, der Urheber des Fotos mit ähnlichem Motiv wie oben, sollte ich mehrere Tausend Euro bezahlen. Ein Bild mit einer Blume, das gibt es bei Fotolia oder anderen Anbietern für wenige Cent. Wie viel würdet ihr denn für das obige Foto bezahlen? Deshalb also könnte man meinen, sowas sei günstig zu kriegen. Ja, könnte man meinen. Aber es geht ja hier nicht um den gesunden Menschenverstand, sondern um das Urheberschutzgesetz.
Naja, in der digitalen Welt ist man mit copy/paste eben manchmal zu schnell unterwegs. Gut, seh ich ein. Fehler gemacht und ich hätte vorher fragen sollen.
Komisch dabei, dass mancher Urheber die Fotos so stark präsentiert und bei der Google Bildersuche auf oberstem Rang gelistet sind… man könnte fast meinen, es sei darauf angelegt?! Will da etwa jemand etwas dazu verdienen? Pah, Leute, inzwischen verstehe ich die Branche!. Wie gesagt, ich bin ein Schussel und ich bin in die Falle getappt. Deshalb kann man dann auch einen angemessenen Preis bezahlen. Angemessen, wohlgemerkt. Wieviel ist denn so ein Blümchen-Pic wohl wert?
Abmahn-Abzocke
Hat man also solchen Mist gebaut und erhält eine Abmahnung, unterschreibt man eine Unterlassungserklärung (ohne Festlegung auf eventuelle finanzielle Ansprüche) und nimmt schleunigst das besagte Objekt offline und entschuldigt sich am besten noch. Das wäre die angemessene Art und Weise damit umzugehen.
Doch die Branche funktioniert nicht nach dem gesunden Menschenverstand, denn es will ja verdient werden – auf beiden Seiten. Die Klägerseite sowieso, aber genauso auf der Gegenseite. Es gibt unzählige Anwaltskanzleien, Buchautoren, Rechtsberater, Blogger-Zirkel, die sich auf das Thema „Blogger und Bildrechte“ spezialisiert haben und ja, alle wollen daran verdienen. YouTube ist voll von Werbefilmen von „engagierten Anwälten“ und Ratgeber werden verkauft.
Bei dreien machte ich eine Testanfrage getätigt und die Antwort lautete bei allen: „Ja, wir helfen Ihnen gerne aus der Patsche, das erste Schreiben wird etwa 450 Euro kosten und ganz ohne Strafe werden sie nicht davon kommen. Jedes weitere Schreiben kostet natürlich mehr. Also mit ein paar Tausend müssen sie schon rechnen.“
Im Ernstfall hätte das für mich bedeutet:
Strafe für Bildverwendung zahlen: zwischen 1000 und 3000 Euro
Rechtsanwalt der Gegenseite bezahlen: ca. 800 Euro
Gerichtskosten: ca. 500 Euro
eigenen Rechtsanwalt (siehe oben) ab 400 bis 2000 Euro oder mehr
Für copy/paste, für ein Bild siehe oben. Hm. Alle haben damit gut verdient – nur der Dumme – nämlich der Blogger – bezahlt. Für einen Schnappschuss? Da stellen sich den wirklich guten Anwälten hoffentlich die Nackenhaare (ich arbeitete für einen, deshalb weiß ich das).
Durch sperrige Gesetze werden nicht die Künstler geschützt, sondern eine Parallelwirtschaft geschaffen: Die Abmahnindustrie. Nach meiner Recherche konnte ich nur noch den Kopf schütteln. Das Internet macht’s möglich! Im Guten wie im Schlechten.
Ende gut alles gut
In meinem Fall ging der Fall vor das Gericht in Frankfurt und ich bin heute sehr dankbar dafür. Hätte ich einen dieser Blogger-Anwälte beauftragt, hätte der nur seine Hand aufgehalten und mitverdient. Stattdenssen habe ich mir selbst aus der Patsche geholfen.
Leider funktioniert so diese Branche. Beide Seiten wollen verdienen und das Gericht will auch noch bezahlt werden. Aber, ich bin clever und ich bin stur und ich hatte freundschaftliche Unterstützung. Schlussendlich bezahlte ich dann inklusive Porto & Kopierkosten etwa 50 Euro, weil – es war nun einmal nur ein Fehler passiert und dazu ein, naja, sagen wir Blümchen-Foto.
Gut, dass ich nicht auf die bekannten Blogger-Anwälte gehört habe. Gut, dass ich nicht reumütig irgendwelche wilden Forderungen bezahlt habe. Gut, dass das Urheberrecht offensichtlich doch mit gesundem Menschenverstand angewendet wird und es Richter mit Sachverstand gibt!
Mehr dazu auch hier:www.recht-eigenartig.de.
Fair Use
In den USA gibt es den Passus des „Fair Use“, ein „aufgeweichtes“ Urheberrecht, das etwas zeitgemäßer als das in Deutschland geltende Recht ist. Damit kann dann auch die Kunst umgehen: Der US-amerikanische Künstler Richard Prince verarbeitet Instagram-Fotos – und verkauft sie für 90.000 Dollar. Appropriation Art heißt so etwas.
Auch die Süddeutsche Zeitung schrieb “Andy Wahrhol hätte sich die Haare gerauft“, denn seine Kunst (hier der Link zum Artikel) hätte kaum funktioniert, wenn ständig einer die „Urheberrechts-Keule“ in Form einer Abmahnung geschwungen hätte. Die Tomatendose? Urheberrecht. Warhols Marilyn Fotos? Urheberrecht…
Meins ist das nicht
Die Moral von der G´schicht? Obach! Copy/paste ist schnell gemacht, aber genauso schnell findet Dich der Urheber des Fotos, des Textes, des Films etc. pp. Tue nichts, was du nicht öffentlich gute Gewissens vertreten kannst, denn stehst du einmal im Internet, stehst du da ewig. Sollte dann doch mal etwas schief geht, nicht gleich bezahlen, denn die Forderungen sind immer erst einmal zu hoch und weitestgehend unrealistisch. Und nochmal: Das ist alles nicht meins. Merkwürdige Welt!
Das digitale Zeitalter braucht ein neues Urheberrecht, sagt auch Geschäftsführer Alexander Sander vom Verein Digitale Gesellschaft: „Trotz vereinzelter guter Ansätze sei die Chance verpasst worden, „das vollkommen veraltete EU-Urheberrecht an die Nutzungsgewohnheiten und Herausforderungen des digitalen Zeitalters“ anzupassen…“.(siehe auch Süddeutsche Zeitung oder http://www.sueddeutsche.de/digital/urheberrecht-die-doppelmoral-der-netzgemeinde-1.2572984)