Einmal im Jahr findet im Rheingau das berühmte Rheingau Gourmet und Wein Festival statt und ich bin immer wieder begeistert, dass weltweit die Köche dem Ruf folgen. Rheingau – das Tor zur Welt! Von Südafrika bis Amerika hat das Festival einen guten Namen und so viele großartige Köche waren schon da.
Das Programm des Rheingau Gourmet und Wein Festivals ist jedes Jahr sehr vielfältig und schon früh muss man sich Karten kaufen, sonst ist es ausverkauft. Dieses Jahr hatte mich besonders der Sternekoch Vineet Bhatia mit der modernen indischen Küche neugierig gemacht. Seit den 90ern ist er in London aktiv und er war der erste Inder, der für seinen Kochstil dann 2001 mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Er gilt als „Father of Modern Progressive Indian Food“ und sein Restaurant Kama in London wird hochgelobt. Er zaubert mit Gewürzen und vermischt die indische Küche mit der französischen und am Ende kommt ein großartiges Fine Dining Erlebnis heraus. Wir lieben die indische Küche, egal traditionell oder modern und waren deshalb auch schon oft zu Gast bei dem Pop-Up Restaurant The Bad Indian in Frankfurt. Wie es der Zufall will, hatten Freunde ebenfalls Karten für den Dinner-Event gebucht und so freuten wir uns auf den gemeinsamen indischen Abend.
Doch zunächst von Anfang an. Mit einem Glas Geldermann Sekt wurden wir am Eingang von der wunderbar charmanten Johanna Bächstädt empfangen. Sie hielt auch die Eröffnungsrede zusammen mit Vineeth Bhatia hielt. Toller Start! Bald wurden wir platziert und an die feierlich gedeckten Tische geführt. Das Restaurant ist im historischen Gebäude des Kronenschlösschens auf zwei Stockwerken verteilt und die Mauern atmen Historie. Die Räume wurden behutsam modernisiert und sind sehr geschmackvoll eingerichtet mit beeindruckenden Leuchten, Blattgold und warmtonigen Farben und hochwertigem Möbilar.
Wer noch nie bei einem Dinner Event des Rheingau Gourmet und Wein Festival war, dem sei erklärt: Pro Menügang werden zwei Weine serviert. Das erklärt die vielen, vielen Gläser auf dem Tisch. Drei Gänge, zwei Gläser, plus Wasser, Champagner, Digestif (wer hat schon kurz nachgerechnet?). Man muss das Glas natürlich nicht austrinken, doch selbst wenn man nur probiert, um die Weine vergleichen zu können, ist man nach kurzer Zeit schon etwas alkoholisiert. Nun vertrage ich Wein sehr gut, trotzdem muss ich zugeben, dass so eine Weinbegleitung nicht unbedingt die Sensorik wachhält.
Ein indisches Erlebnis im Rheingau
Die Moderation des Abends übernahm der bekannte Journalist und Moderator Martin-Maria Schwarz vom Hessischen Rundfunk, der zwischendurch über die Hintergründe, die Gewürze und insbesondere die Weine informierte und dazu auch die einzelnen Winzer vorstellte.
Das Menü versprach köstliche 5 Gänge und zwar die folgenden:
Tadka Mahkni Soup / frittierte Zwiebeln
Chicken Kurchan / Paratha und schwarze Oliven Raita
Gegrillter Hummer mit Curryblatt / Dosa Kartoffeln / Kokosnuss-Limetten-Chilli
Kapi Lamm Kotlett / Khichdi Waldpilze / Pilz Papad
Orange Kardamon
Let’s drink some…
Als Aperitiv wurde ein exzellenter Champagner von Happersberger eingeschenkt und ich hätte den ganzen Abend dieses feine Getränk zu mir nehmen können, doch wir sind im Rheingau und viele weitere Weine sollten folgen! Genau und dabei stellte ich erst fest, wieviele Gläser auf dem Tisch stehen und was mir noch bevorstehen würde, denn die Weinbegleitung umfasste 6 Weine:
2016 „Halgans“ Monzinger Riesling trocken, Weingut Emrich-Schönleber, Nahe
2018 Kiedricher Riesling QbA trocken Ortsriesling, Weingut Eva Fricke
2017 Winkeler Hasensprung, GG vom Weingut Allendorf, Rheingau
2017 Marcobrunn Riesling Erstes Gewächs, Schloss Schönborn, Rheingau
1995 Rüdesheimer Berg Rottland Riesling Spätlese, Schloss Schönborn
2018 Riesling Auslese, Weingut Allendorf, Rheingau
2016 „Bramare“ Malbec Luján de Cujo
2016 „Bramare“ Malbec Marchiori Vineyard (Viña Cobos, Argentinien).
2016 Frühlingsplätzchen Riesling Spätlese, Weingut Emrich-Schönleber, Nahe
2008 MEZAN . the untouched rum, Belize – als Digestif
Die einzelnen Winzer präsentierten zwischen den Menü-Gängen ihre Weine und berichteten, wie es zu der Wahl kam oder gingen auf die Besonderheiten des Weins ein. Ganz besonders freute ich mich über die Präsentation von Eva Fricke. Ebenso der Riesling von Schloss Schönborn gefiel uns ausgesprochen gut.
Let’s eat
Damit der Wein nicht gleich zu Kopfe steigt, knabberte ich zu Anfang ein bisschen an dem viel zu harten Brot (definitiv nicht indian style) und freut mich umso mehr auf den ersten Gang. Wir starteten mit einer scharfen, intensiven Tomatensuppe und ich genoss die wärmende Wirkung. Davon könnte ich täglich ein Schüsselchen genießen, denn die Suppe war geschmacklich wunderbar. In dieser Suppe mit den fritierten Zwiebeln, offenbarte sich mir die große Kunst der modernen indischen Küche (und schade, dass es nicht so weiter ging).
Zum zweiten Gang gab es Chicken Kurchan mit indischem Fladenbrot und schwarze Oliven Raita. Ein indischer Klassiker, wie ich erfahre und es schmeckte mir sehr gut und auch die Weinbegleitung war passend gewählt. Der nächste Gang ist Seafood, nämlich Hummer. Zu dem intensiv indisch gewürzten Hummerfleisch wird ein Wein aus 1995 kredenzt. Wow – das muss man dem Sommelier lassen – dass war ein Erlebnis, solch einen betagten Weißwein zu genießen! Danke an das Weingut, dass wir den edlen Bestand leeren durften. Als Wineparing jedoch hat es mich nicht überzeugt. Weder Hummer noch Wein haben sich irgendwie gegenseitig etwas gegeben, da waren wir uns am Tisch einig und dasselbe Urteil erhielt auch die Riesling Auslese. Die Süße des 3. Weingangs verklebte einfach sämtliche Geschmacksnerven und umso mehr fand ich es ultraschade, den weitgereisten Hummer gar nicht wertschätzen zu können. Solcherlei Weine mag ich zum Käse, aber nicht zum Seafood – auch wenn es indisch gewürzt ist und so wechselten wir geschlossen zurück zu Wein Nummer 2 bzw. Wasser. Wein ist und bleibt eben Geschmacksache.
Es folgte ein Lammkottlett und dazu servierte man dann klassisch einen kräftigen Rotwein aus Argentinien. Das Lammfleisch war perfekt gegart, doch die Pilze überraschten mit einem übertriebenen Knoblauch-Duft und das Papad schmeckte muffig und war somit auch nicht jedermans Geschmack. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es bei der gesamten Veranstaltung primär um die Präsentation der Weine geht, denn um’s Essen ging es irgendwie nicht.
Männer & Wein
Zum Schluss noch ein Dessert und dazu ein weiterer Wein. Wer jetzt noch wusste, welches Glas welcher Wein ist und wo oben und unten ist, hatte die Prüfung bestanden. Nein, ich scherze. Doch ich vertrage wahrlich viel Alkohol, irgendwann hört aber der Spaß auf. Die Fachleute argumentierten im Hintergrund weiter über die verschiedenen Weine und Wineparings doch an unserem Tisch hatten sich die Geschmacksnerven schon lange verabschiedet. Im Grunde war’s egal, denn zum Dessert wurde dann ein Riesling Spätlese ausgeschenkt, der so garnicht meins war. Ein Absacker zum Schluss, nämlich ein Rum aus Belize, den nahm ich noch mit, und zog dann einen Schluss-Strich.
Wenn man vor lauter Wein das Essen des Sternekochs nicht mehr schmeckt, dann hätte man eigentlich auch billig irgendwo Häppchen essen gehen können, oder? Wenn ich allerdings einen Sternekoch und seine Kochkunst erleben möchte oder exzellente Weine probieren möchte, dann bewahre ich mir lieber meine sieben Sinne. Ich trinke wahrlich gerne Wein, auch zum Essen, und sag auch nichts gegen einen Schwips und ja klar, dass dann die Sinne ein bisschen betrübt sind, doch bei Sterneküche macht das in dem Maße keinen Sinn. Wie soll das auch gehen, wenn 6 Weine plus Champagner und Digiestif vorgesehen sind und damit die gesamte Weinmenge bei mindestens 1 Flasche Wein liegt? Nach so einer Menge Alkohol können und dürfen wir nicht mehr Autofahren, aber ein kulinarisches Geschmackserlebnis aus der Sterneküche beurteilen? Das wird den Köchen nicht gerecht.
Trinken oder Essen
Das Konzept eines solchen Dinners leuchtet mir nicht ein. Natürlich kann ich den ganzen Abend auch Wasser trinken, doch stehen zwei Weine zur Auswahl, möchte ich natürlich den Vergleich schmecken: Wie schmeckt Wein A zum Indian Seafood, und wie schmeckt Wein B dazu. Also probiert man schon mal von beiden Gläsern. Dazu der Welcome Sekt, der Aperitif und nicht zu vergessen der Digestif und die insgesamt sechs Weine (2 Weine pro Gang bei 3 Gängen), uiuiui. Am Ende kann man sich gerade noch das Taxi rufen, hicks. Da fällt mir der Beitrag von Franz Keller in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit dem Titel „Zwölf Gänge sind zuviel“ ein. Es ist doch irgendwann so, da kann auch der geschulteste Gaumen nichts mehr schmecken und zuviel ist einfach zuviel.
Die sympathischen Menschen an diesem Abend waren für mich das Highlight und auch die Gastfreundschaft des Kronenschlösschens, das Team in der Küche rund um den Kochstar Vineet Bhatia waren sehr sympathisch. Wir durften auch kurz in der Küche in die Töpfe gucken. Total klasse!
Wenn ich einen solchen Event mit einem wunderbaren, weltberühmten Sternekoch buche und außerdem so viel Geld ausgebe (inklusive Taxi hatten wir zu viert ganze Tausend Euro ausgegeben), dann möchte ich das auch erschmecken, doch dafür ist das der falsche Event. Kurzum, wenn ich Weine kennenlernen möchte, dann buche ich einen Wein-Verkostungstermin. Und um Sterneküche zu genießen, bevorzuge ich inzwischen vorwiegend alkoholfreie Getränke und viele Sterne-Restaurants bieten eine entsprechende Getränkebegleitung an. Die Sensorik dankt es einem.
Wie gesagt – es ist halt alles Geschmacksache und für jeden gibt es die passende Location und das entsprechende Lieblings-Geric ht sowie Event. Mich begeistert weiterhin, dass der Rheingau für gute zwei Wochen die weltbesten Köche zu Gast hat, immerhin war auch schon die beste Köchin der Welt, Ana Ros, für einen Abend da.
Mich wird man im nächsten Jahr wieder an der Eröffnungsparty treffen, denn das ist eher mein Ding (siehe hier) und apropos, mein Interview mit Benedikt Faust ist einfach unvergesslich (kommt demnächst).